Mainzer Dom für Blinde und Sehbehinderte

Am 14.10.2009 konnte das Tastmodell des Doms durch die Bürgerstiftung an den OB der Stadt und damit an die Bürger von Mainz übergeben werden.

Auf einer Infofahne neben dem Dommodell waren zur Übergabe an die Stadt Mainz die ersten Eindrücke festgehalten:

„Der Mainzer Dom zum Anfassen. Auf Fingerkuppen den Dom erkunden. Die Anordnung der Türme und Kuppeln erkennen. Die Größenunterschiede erkennen. Architektur und Geschichte des Mainzer Doms erfahren. Wenn blinde Mitbürger zum ersten Mal ihren Dom befühlen, dessen Mauern sie zuvor berührten, dessen Dimensionen sie aber nie begreifen konnten, so ist es für sie eine ganz neue Erfahrung. Das Bronzemodell zeigt den Dom maßstabsgetreu. Kleine Punkte in Blindenschrift (Braille) geben die notwendigen Erläuterungen. So können hier Sehbehinderte im wahrsten Sinne des Wortes den Mainzer Dom ertasten, erfahren und begreifen. Auch für die sehende Bevölkerung eröffnen sich durch den ungewöhnlichen Blickwinkel neue Perspektiven auf den Mainzer Dom. Von oben erschließen sich bauliche Strukturen einfacher und werden für den Betrachter sinnlich nachvollziehbar.“

Die Übergabe passte sich nicht nur zufällig ein in das 1000-jährige Domjubiläum, denn am 29. August 2009 feierte der Mainzer Dom St. Martin – St. Stephan seinen 1000. Geburtstag. 34 Jahre lang hatte man im Hochmittelalter an der dreischiffigen Säulenbasilika mit der vorgelagerten königlichen Empfangshalle (»Aula Regia«) gebaut, die Bischof Williges nach dem Vorbild von »Alt-St. Peter« in Rom errichten ließ. Es gehört zu der an Dramen nicht armen Historie dieses Gotteshauses, dass der Dom nur wenige Stunden nach seiner Einweihung fast vollständig abbrannte – wahrscheinlich durch einen Fehler bei der für die großen Feierlichkeiten angebrachten Illumination.

 

In den nächsten Jahrhunderten wurde er noch öfter zerstört – allein durch sieben größere Brände. Zahlreiche Veränderungen und Erweiterungen wurden, z. T. mehrfach, an einzelnen Gebäudeteilen vorgenommen, bis er sein heutiges Bild erhielt: eine prachtvolle Ansicht – die allerdings blinden Mitbürgerinnen und Mitbürgern bisher verschlossen blieb.

Hier hat die Mainzer Bürgerstiftung jetzt angesetzt. Nach dem Vorbild anderer Domstädte wie Bayreuth, München, Münster und Stralsund wurde nun auch von dem Mainzer Sakralbau ein Bronzemodell angefertigt und einzelne Aspekte mit der Blindenschrift »Braille« beschrieben, damit Sehbehinderte auf diese Art die Kirche ertasten und erfahren können.

Der Auftrag für diese Arbeit ging an den westfälischen Bildhauer Egbert Broerken. Der Bildhauer, dessen freie Arbeiten – Großplastiken für den öffentlichen Raum aus Stahl und Stein – in verschiedenen deutschen Städten stehen, begann vor ca. 20 Jahren mit der Fertigung bronzener Blinden-Stadtmodelle. Mit Schülern und Lehrern der Westfälischen Blindenschule in Soest entwickelte er die optimale Tastbarkeit der Modelle und mit der Bronzegießerei ein spezielles Verfahren für die filigranen Erläuterungen in Blindenschrift.

Die Stadtmodelle entstehen im Wachsausschmelz-Verfahren, einer alten handwerklichen Kunst, die Detailtreue und Unverwüstlichkeit der bronzenen Reliefs garantiert. Vor fünf Jahren gab Egbert Broerken seine Lehrtätigkeit an der Fachhochschule für Design in Dortmund auf, um sich ganz der Fertigung von Blinden-Stadtmodellen zu widmen, denn immer mehr Kommunen wurden und werden auf seine Arbeiten aufmerksam.

Das Mainzer Dom-Modell entstand auf der Basis zahlreicher Skizzen. Der »kleine Dom zum Anfassen«, der auf eine ca. 150 x 150 cm große Platte montiert wurde, konnte jetzt feierlich enthüllt werden. Er hat seinen Platz auf einem Natursteinsockel zwischen Liebfrauenplatz und Nagelsäule am Dom erhalten. Die Beteiligten gehen davon aus, dass die Bronzeplastik eine weitere touristische Attraktion für die gesamte Stadt werden wird.

Die Stiftungsvorstandsmitglieder Dr.Wolfgang Petereit und Karl-Otto Armbrüster erklärten, dass das Finanzvolumen für das Dom-Modell sich insgesamt auf rund 30.000 Euro beläuft. Ein Großteil der veranschlagten Summe wurde von der Sparkasse Mainz, der Mainzer Volksbank, der Deutschen Bank, Filiale Mainz, der VR-Bank Gonsenheim und der SPARDA-Bank Südwest sowie dem Bistum Mainz getragen. Alle Beteiligten brachten zum Ausdruck, dass sie in dem Dom-Modell für Blinde und Sehbehinderte eine Gemeinschaftsaufgabe sahen:  »Wir wollten der Stadt etwas zurückgeben.«

Selbstverständlich können auch einzelne Bürger das Projekt auch jetzt noch finanziell unterstützen. Wer etwas spendet, erhält als symbolischen Dank einen Druck des Modells auf Büttenpapier.